Sonntag, 20. Oktober 2013

Das Kinogramm (45) XXL


"Ich komm' aus dem Schnapsladen, ich hab' ne Flasche Schnaps. Sie sind doch so'n cleverer Detective. Knacken Sie die Nuss."
Keller Dover

PRISONERS ist einer der Filme, die ich hier nicht im kurzen Kinogramm-Stil abhandeln kann. Er verdient ein paar Zeilen mehr. Was für ein Film. Er fesselt zweieinhalb Stunden lang und langweilt in keiner Sekunde.

Es geht um eine Kindesentführung. Im US-Staat Pennsylvania verschwinden zwei Mädchen, die jüngsten Töchter zweier befreundeter Familien. Ein Verdächtiger ist schnell gefunden, doch die Verhöre des geistig zurückgebliebenen jungen Mannes bringen die Ermittlungen nicht weiter. Keller Dover, einer der Väter der Mädchen, ist jedoch von seiner Schuld überzeugt. Er entführt und foltert den Mann, nachdem der von der Polizei freigelassen wurde, um den Aufenthaltsort der Mädchen aus ihm herauszupressen. Währenddessen ermittelt Detective Loki weiter...

Der Film hat mehrere Stärken: das Drehbuch, die Hauptdarsteller, die Atmosphäre. Der Film verzichtet auf Pathos, er zeigt hautnah, welche Emotionen ein solches Ereignis bei den beteiligten Personen hervorruft und wie verschieden sie damit umgehen.

Hugh Jackman spielt Keller Dover, einen konservativ-christlichen Familienvater. Er hat eine Waffe, einen Keller voller Vorräte und sieht sich als den starken Beschützer seiner Familie. Er sieht sich in der Pflicht, alles für die Rettung seiner Tochter zu tun, und tut abseits der Polizeiermittlungen das, was er für richtig und unumgänglich hält. Er nimmt das Recht in die eigene Hand und foltert den, den er für den Täter hält. Doch ist das richtig? Der Film sagt: Nein. Obwohl man mit Keller Dover mitfühlt, ist der Film gleichzeitig eine deutliche Kritik an seinem christlich-konservativen Law-and-Order-Gedankengut, mit dem er eigene Unzulänglichkeiten überdecken will und das in den USA weit verbreitet ist - der Geist von George W. Bush schwebt durch den Kinosaal.

Noch überragender als Jackmann spielt Jake Gyllenhaal. Sein Detective Loki ist ein junger, scharfsinniger Ermittler mit einer problematischen Vergangenheit. Diese Vorgeschichte wird nie Thema, blitzt aber bisweilen auf, wenn er auf Rückschläge in der Ermittlungsarbeit plötzlich ausfällig reagiert, wo er meist eher kontrolliert und gelassen wirkt. Eine der besten, wenn nicht die beste Polizistenfigur, die ich bisher in einem Film gesehen habe.

Auch das übrige Ensemble überzeugt in diesem düsteren Krimi, doch die beiden Hauptfiguren allein machen den Film schon sehenswert. Die Atmosphäre im herbstlichen, nasskalten Nordosten der USA unterstreicht die Handlung eindrucksvoll. Und obwohl die Story einige Wendungen bereithält, ist sie doch erfreulich geradlinig. Die dunklen Flecken in der Vergangenheit der beiden Hauptpersonen beeinflussen ihr Handeln, werden aber stets nur angedeutet, nie ausgewalzt. Die Krimihandlung an sich ist nicht übermäßig originell, wird aber mit allen Mitteln, die einem Kinofilm zur Verfügung stehen, so gekonnt erzählt, dass sie vom ersten bis zum letzten Moment fesselt.

Absolute Empfehlung für Prisoners - 9,5 von 10 Punkten.

Zur weiteren Lektüre empfehle ich die Reviews von Filmstarts und Spiegel Online. Stimmt alles, was da steht.

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