Mittwoch, 29. Januar 2014

Das Kinogramm (49) XXL


Jordan Belfort: "Und wenn ich dann damit Profit für die Kunden mache,
haben ja beide Seiten was davon!?"
Mark Hanna: "Nein."

THE WOLF OF WALL STREET ist ein Stück hervorragend inszenierter Satire, die trotz ihrer ermüdenden Länge von drei Stunden nicht langweilig wird, sondern unterhält, zuweilen fesselt und einen ziemlich gruseln kann. Die von Martin Scorsese verfilmte Autobiographie des kriminellen Börsenhais Jordan Belfort, der sich in den späten Achtzigern auf Kosten vieler Kleinanleger die Taschen mit Millionen füllt, hält uns den Spiegel vor, was die Gier aus einem Menschen machen kann.

Die Story ist schnell erzählt: Wir sehen, wie Belfort sein Broker-Handwerk erlernt, mit seiner Mischung aus Verkaufstalent und Skrupellosigkeit Geld ohne Ende macht und es auf die denkbar klischeehafteste und abstoßendste Weise verprasst: mit Alkohol, Huren, Drogen, Autos, Yachten und Villen. Und wie er am Ende an seiner maßlosen Gier nach Erfolgs- und Drogenrausch scheitert.

Doch das Stichwort lautet: Ambivalenz. Leonardo DiCaprio schafft es mit seiner oscarreifen Vorstellung, das Publikum in der Schwebe zu halten. Er zeigt Belfort als grenzenlos geldgierigen und genusssüchtigen Workaholic, der aber bei allem Egoismus auch sympathische Züge hat. Das gilt auch für seine Kompagnons, allen voran Jonah Hill als Donnie Azoff, die liebenswerte Typen sind, sich aber von der Geld- und Erfolgsgeilheit Belforts mitreißen lassen.

Letztlich ist es ein Gruselfilm, ein Schocker, mit dem Scorsese uns Menschen zeigt, was Geldgier aus uns machen kann, trotz allen guten Willens. Das ist die Wunde, in die der Regisseur seinen Finger legt. Die konkreten Machenschaften der Bösenhaie, sicher ebenso kritikwürdig, sind eher weniger das Ziel seiner Satire. Damit will ich euch nicht langweilen, das versteht ihr ja doch nicht und es interessiert euch doch auch nicht. So lässt er es Belfort direkt in die Kamera dem Zuschauer ins Gesicht schleudern - und setzt damit der ätzenden Kritik am Wesen des Menschen noch einen drauf.

Der Film lässt uns das Geschehen durch die von Geldgier und Drogenkonsum getrübte Brille Belforts erleben und ist satirisch krass überzeichnet - deshalb gibt es einiges zu lachen. Einige verwechseln das mit Verherrlichung oder wenigstens Verniedlichung des Dargestellten, so auch dieser Kritiker bei SPON. Er hätte gern eine beißende Kritik am Börsen- und Finanzgeschäft gehabt. Tja, das hat Scorsese eben nicht vorgehabt. Besser verstanden hat man den Kern des Films bei der Zeit. Wir wollen Rendite und Erfolgsbotschaften, wir wollen verführt werden, wie der Finanzheini das hinkriegt, interessiert nicht - es sei denn, es geht schief.

Diese unangenehme Hauptbotschaft, die Auswirkungen mehr oder weniger maßloser Gier, sowohl beim Anleger als auch beim Aktienhändler - das ist es, was diesen Film zu einem schwer verdaulichen Brocken macht. Doch gleichwohl unterhält er grandios, vor allem dank starker Schauspielerleistungen. DiCaprio ist furios, auch seine Mitstreiter spielen groß auf, und ein Highlight gleich zu Beginn ist der Auftritt von Matthew McConaughey als Belforts Lehrmeister Mark Hanna. Die explizite und satirisch verzerrte Darstellung von Erfolgs-, Luxus-, Sex- und Drogenexzessen ist nur schwer auszuhalten, auch wegen ihrer Länge - trotzdem fesselt und unterhält sie ungemein. +++ 8,5 von 10 Punkten

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